Draussen mit Claussen: ein RefLab-Podcast

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Die Kultur der Gegenwart ist voller Religion

Karin Berkemann: Kirchbauten gehören allen!

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In Deutschland hat ein «Kirchenmanifest» für Aufsehen gesorgt. Es will eine öffentliche Debatte um die Zukunft kirchlicher Gebäude anstoßen – die nicht nur für Deutschland, sondern auch für die Schweiz nötig ist. Noch gibt es einen einzigartigen Reichtum an alten und modernen Kirchbauten. Bislang wurde er von den evangelischen und katholischen Kirchenmitgliedern mit ihren Kirchensteuern finanziert (wobei natürlich der staatliche und der zivilgesellschaftliche Denkmalschutz viel mitgeholfen haben). Aber mit dem demographischen Wandel, der nachlassenden Kirchenbindung und der abnehmenden Bereitschaft, Kirchensteuern zu zahlen, wird dies so nicht weitergehen. Viele Kirchengemeinden sind genötigt, sich zu überlegen, welche Finanzmittel sie für welche Gebäude einsetzen. Das führt zu harten Entscheidungen: Sakralbauten werden anders- oder neugenutzt, ab- und aufgegeben oder abgerissen.

Hier setzt das «Kirchenmanifest» ein. Es zeigt, dass die Zukunft der Kirchbauten die ganze Gesellschaft angeht. Denn Kirchen sind nie nur Kirchen. Sie sind Kulturorte, in der regionale, nationale und europäische Traditionen aufbewahrt sind. Sie sind Gedächtnisorte, an denen ein Gemeinwesen seiner Geschichte gedenkt. Sie sind Versammlungsorte, an denen auch nicht-kirchliche Nachbarn ein eminentes Interesse haben sollten. Deshalb ruft das «Kirchenmanifest» alle Bürgerinnen und Bürger sowie die politisch Verantwortlichen auf, sich dieser kulturellen und sozialen Zukunftsaufgabe zu stellen. Wer dieses Anliegen unterstützen möchte, kann die Online-Petition unterzeichnen. Bisher stehen dort schon über 17.000 Namen. Einen praktischen Vorschlag gibt es auch: Kirchbauten, die nicht mehr benötigt würden, sollten in eine Stiftung (oder mehrere) überführt werden.

Eine Diskussion mit einer Initiatorin des «Kirchenmanifests», der Kunsthistorikerin und Theologin Karin Berkemann.

Wolfgang Kraushaar: Wie man über den Israel-Palästina-Konflikt diskutieren sollte

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Das Leben und Leiden der Menschen in Israel wie in Gaza und dem Westjordanland geht uns in Europa an. Leider stehen Sachkenntnis und Meinungsfreude selten in einem angemessenen Verhältnis. Vor allem kommt es zu vielen sprachlichen Entgleisungen und diskursiven Verhetzungen.

Der renommierte Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar hat nun ein Buch veröffentlicht, das für dringend benötigte Orientierung sorgt („Israel: Hamas – Gaza – Palästina. Über einen scheinbar unlösbaren Konflikt“, Europäische Verlagsanstalt). In nur drei Wochen hat er es geschrieben, aber es ist alles andere als ein publizistischer Schnellschuss.

Was Kraushaars Buch so wertvoll macht – neben einer klaren geschichtlichen Orientierung – ist, dass er einen der aktuellen Kampfbegriffe nach dem anderen untersucht. „Genozid“ – „Apartheid“ – „Kolonialismus“ – „Terroristen“ – „Islamismus“. Mit größtmöglicher Sachlichkeit, und dabei sehr um Fairness bemüht, legt Kraushaar offen, was an diesen Schlagworten dran ist – oder eben auch nicht. Oft genug dienen nämlich die geschichtlichen Gleichsetzungen (nicht Vergleiche) nicht dem Verstehen und der Verständigung, sondern der rhetorischen Erledigung des jeweiligen Feindes.

Serra Tavsanli: Johann Sebastian Bach und seine «Welt-Musik»

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Er galt als der fünfte Evangelist des deutschen Protestantismus und ist doch längst ein universaler Komponist. Die Musik von Bach fasziniert heute Menschen in allen Teilen der Erde – egal, ob und wie sie religiös geprägt sind. Ein Beispiel dafür ist die aus der Türkei stammende und heute in Deutschland lebende Pianistin Serra Tavsanli. Schon als Kind begegnete sie in Istanbul Bachs Musik – dies sollte ihrem Leben eine unvorhergesehene Richtung geben. Ein Gespräch über die grenzüberschreitende Kraft geistlicher Musik.
Als sie fünf Jahre alt war, schenkten ihr die (armenischen) Nachbarn ein Klavier, und ihre westlich eingestellten Eltern förderten sie bei ihren ersten Schritten in die klassische Musik. Eine Welt öffnete sich. Von entscheidendem Einfluss war Johann Sebastian Bach und ist es bis heute geblieben. Als Serra Tavsanli mit 19 Jahren an die Musikhochschule Hannover kam, lernte sie das weite Repertoire klassischer Klaviermusik kennen, aber Bach blieb für sie die Leitfigur. Inzwischen hat sie ihm drei Alben gewidmet. Das neue trägt den Titel «Inner Spaces». Denn es sind innere Räume, die seine Musik ihr geöffnet hat. So regelgeleitet seine Kompositionen erscheinen mögen, lassen sie der Interpretin doch sehr viel Freiheit, aus ihr etwas unverwechselbar Eigenes zu machen.
Vielleicht ist dies das Geheimnis seiner weltweiten Wirkung. Denn so sehr Bach selbst Teil einer bestimmten, nationalen und konfessionellen Geschichte – eben des deutschen Protestantismus des 18. Jahrhunderts – gewesen war, ist er längst ein Welt-Komponist, der heute in Japan, Malaysia, Südafrika oder Südamerika Menschen verzaubert und dazu bringt, seine Werke aufzuführen. Das liegt sicherlich an der unsterblichen Qualität seiner Musik, aber auch an der Freiheit, die sie eröffnet. Das gilt auch für ihren religiösen Gehalt. Bachs geistliche Musik ist nicht auf den engen Bereich eines alten Luthertums beschränkt, sondern kann heute auch Menschen mit ganz anderen religiösen Prägungen. Ein besonders schönes Beispiel dafür ist Serra Tavsanli.

Juliane Stückrad: Die Dorfkirche – ethnologisch betrachtet

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Nichts erscheint so vertraut und heimatlich wie die Dorfkirche, auch für Städter. Doch man bekommt einen ganz anderen Sinn für ihre religiöse, kulturelle und soziale Bedeutung, wenn man sie mit den Augen einer Ethnologin betrachtet. Idyllische Projektionen lösen sich dann auf, und es kommt eine überraschend vielfältige Wirklichkeit zum Vorschein.

Die Ethnologin Juliane Stückrad hat vor kurzem ein sehr lesenswertes Buch veröffentlicht: «Die Unmutigen und die Mutigen». Darin beschreibt sie mit großer Sensibilität und ethnologischer Kompetenz die Lebenseinstellungen von Menschen in Brandenburg. Irritierend und erhellend ist besonders, was sie über die «Unmutigen» schreibt – Menschen, die sich abgehängt fühlen und darauf mit Wut reagieren. Wer die tieferen Gründe für kommunikative und körperliche Gewalt in politischen Auseinandersetzungen heute verstehen will, sollte dieses Buch lesen.

Aber es hat zum Glück auch einen zweiten Teil. Darin widmet Stückrad sich den «Mutigen» – Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen, sondern gemeinsam etwas auf die Beine stelle. Das muss gar nichts Großartiges sein. Es geht ihr nicht um spektakuläre Erfolgsgeschichten, sondern um schlichtes soziales Engagement und gelebte Humanität.

Beispielhaft steht dafür der Einsatz vieler Menschen in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands für ihre Dorfkirchen. Selbst Menschen, die von sich sagen, dass sie «mit der Kirche nichts am Hut haben», zeigen hier einen erstaunlichen Einsatz. Was in und um Dorfkirchen heute geschehen kann – an kulturellem Leben und demokratischem Engagement –, das erkundet Stückrad als Ethnologin im eigenen Land, und zwar so, dass man als Theologe viel Neues erfährt. Zum Beispiel, was Dorfkirchen mit Ahnenkult und menschenfreundlicher Magie zu tun haben.

Jörg Herrmann: Wie eine Pracht-Straße «arisch» wurde

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Der Neue Wall ist eine der teuersten Straßen Hamburgs. Ein Luxusgeschäft reiht sich ans andere. Doch wem gehören die prächtigen Häuser heute, und wem haben sie früher gehört? Während der NS-Diktatur wurden hier viele jüdische Menschen ihres Eigentums beraubt. Ein Projekt der Evangelischen Akademie der Nordkirche hat diese Geschichte nun erforscht – Haus für Haus. Warum und wie sie dies getan hat, erzählt Jörg Herrmann, der Akademiedirektor. Ein Gespräch über ein Stück Hamburger Lokalgeschichte, das beispielhaft ist für ganz Deutschland.

Jörg Lüer: Die Ukraine besuchen (nicht nur einmal)

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An diesen Krieg kann man sich nicht gewöhnen. Aber die mediale Berichterstattung stumpft auch ab. Deshalb ist es wichtig, wenn Menschen die Ukraine besuchen und wir ihnen zuhören. Dr. Jörg Lüer, Geschäftsführer des katholischen think tanks «Justicia et Pax», war gerade – zum wiederholten Mal – dort und kann aus erster Hand berichten.

Nicola Kuhn: Koloniale Erbstücke – bei uns zu Hause

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Kolonialismus ist nach langem Schweigen wieder ein öffentliches Thema. Es gibt heftige Debatten über Unrecht, Wiedergutmachung, Rückgabe von Beutestücken. Aber was heisst das für einen selbst? Wo finden wir in unserer Familiengeschichte, in unseren eigenen vier Wänden koloniale Erbstücke, die uns zu einer persönlichen Aufarbeitung bewegen? Die Kulturjournalistin Nicola Kuhn (Tagesspiegel) hat darüber das sehr lesenswerte Buch, «Der chinesische Paravent. Wie der Kolonialismus in deutsche Wohnzimmer kam» geschrieben.

Alte Kunst neu sehen

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Es ist gar nicht so leicht, Menschen heute den Sinn und die Schönheit alter christlicher Kunst nahezubringen. Im Berliner Bode-Museum aber lässt man sich dafür viel Überraschendes und Augenöffnendes einfallen. Ein Gespräch mit der Kuratorin Maria Lopez-Fanjul y Diez del Corral.

Warum ist die AfD in Ostdeutschland so erfolgreich (und nicht nur dort)?

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Drei Landtagswahlen sowie Kommunalwahlen in Ostdeutschland könnten in diesem Jahr der in großen Teilen rechtsextremen AfD hohe Gewinne bringen. Wie ist das zu erklären, und was bedeutet es für die Demokratie? Erklärungsversuche eines der besten Kenner des ostdeutschen Rechtsextremismus, David Begrich (Miteinander e.V.).

Mit jungen Muslimen in Deutschland über den Nahost-Konflikt sprechen

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Der Krieg zwischen Israel und der Hamas hat viele Opfer. Auch in Europa treibt er die Menschen um und verschärft Konflikte zwischen Gruppen, die sich im Alltag zu selten direkt begegnen. Wie denken und empfinden junge Muslime in Deutschland darüber? Wie kann man mit ihnen argumentieren? Ein Gespräch mit Imam Scharjil Ahmad Khalid von der Khadija-Moschee in Berlin-Pankow.

Über diesen Podcast

Die Kultur der Gegenwart ist voller Religion – ob es einem gefällt oder nicht. Das Gute daran: Es schafft Anlässe, mit ganz unterschiedlichen Menschen Gespräche zu führen. Über überraschende kulturelle Entwicklungen, tolle neue Kunstwerke oder aktuelle Konflikte. Nicht als journalistisches Frage-Antwort-Spiel, sondern als gemeinsames, ernsthaft-unterhaltsames Nachdenken. Alle zwei Wochen mit Johann Hinrich Claussen und immer einem anderen Gast.

von und mit Johann Hinrich Claussen

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