Juliane Stückrad: Die Dorfkirche – ethnologisch betrachtet
Nichts erscheint so vertraut und heimatlich wie die Dorfkirche, auch für Städter. Doch man bekommt einen ganz anderen Sinn für ihre religiöse, kulturelle und soziale Bedeutung, wenn man sie mit den Augen einer Ethnologin betrachtet. Idyllische Projektionen lösen sich dann auf, und es kommt eine überraschend vielfältige Wirklichkeit zum Vorschein.
Die Ethnologin Juliane Stückrad hat vor kurzem ein sehr lesenswertes Buch veröffentlicht: «Die Unmutigen und die Mutigen». Darin beschreibt sie mit großer Sensibilität und ethnologischer Kompetenz die Lebenseinstellungen von Menschen in Brandenburg. Irritierend und erhellend ist besonders, was sie über die «Unmutigen» schreibt – Menschen, die sich abgehängt fühlen und darauf mit Wut reagieren. Wer die tieferen Gründe für kommunikative und körperliche Gewalt in politischen Auseinandersetzungen heute verstehen will, sollte dieses Buch lesen.
Aber es hat zum Glück auch einen zweiten Teil. Darin widmet Stückrad sich den «Mutigen» – Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen, sondern gemeinsam etwas auf die Beine stelle. Das muss gar nichts Großartiges sein. Es geht ihr nicht um spektakuläre Erfolgsgeschichten, sondern um schlichtes soziales Engagement und gelebte Humanität.
Beispielhaft steht dafür der Einsatz vieler Menschen in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands für ihre Dorfkirchen. Selbst Menschen, die von sich sagen, dass sie «mit der Kirche nichts am Hut haben», zeigen hier einen erstaunlichen Einsatz. Was in und um Dorfkirchen heute geschehen kann – an kulturellem Leben und demokratischem Engagement –, das erkundet Stückrad als Ethnologin im eigenen Land, und zwar so, dass man als Theologe viel Neues erfährt. Zum Beispiel, was Dorfkirchen mit Ahnenkult und menschenfreundlicher Magie zu tun haben.
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